8.5 Glossar

Anerkennung, Vor und nach der Geburt:
Wird das Kind vor der Geburt anerkannt (Art. 31 Abs. 2 ZStV, Art. 11 Abs. 2 ZStV), bedingt die Anerkennung, dass das Kind lebend geboren wird und die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet ist. Bei einer Anerkennung nach der Geburt wird das Kindesverhältnis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt begründet.
Anmerkung zu Art. 255 Abs. 1 ZGB, Ehelichkeitsvermutung:
Diese gilt, selbst wenn die biologische Vaterschaft des Ehemannes unwahrscheinlich oder unmöglich ist.
Anmerkung zu Art. 255 Abs. 1 ZGB, Eheungültigkeit:
Die Vaterschaftsvermutung entfällt, wenn die Ehe für ungültig erklärt wird, weil sie dazu diente, die Bestimmungen über die Zulassung und den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zu umgehen (Art. 109 Abs. 3 ZGB).
Anmerkung zu Art. 256 Abs. 1 ZGB:
Ist der Ehemann vor Ablauf der Klagefrist gestorben oder urteilsunfähig geworden, so kann die Anfechtungsklage von seinem Vater oder seiner Mutter erhoben werden (Art. 258 Abs. 1 ZGB).
Anmerkung zu Art. 256 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB, Anfechtungsklage des Kindes:
Um die Anfechtungsklage selbständig erheben zu können, genügt Urteilsfähigkeit (Art. 19c Abs. 1 ZGB). Ist das Kind urteilsunfähig, so wird ihm ein Beistand bestellt (Art. 306 Abs. 2 ZGB) der in seinem Namen die Anfechtungsklage erhebt, wenn das Kindesinteresse dies verlangt.
Anmerkung zu Art. 256a ZGB, Beweislast bei Zeugung während der Ehe:
Als während der Ehe gezeugt gilt ein Kind, das frühestens 180 Tage nach Abschluss und spätestens 300 Tage nach Auflösung der Ehe durch Tod geboren ist (Art. 256a Abs. 2 ZGB).
Anmerkung zu Art. 256c Abs. 3 ZGB, Wichtige Gründe:
Als wichtige Gründe können Urteilsunfähigkeit, Krankheit, Abwesenheit oder keine zureichenden Zweifel an der Vaterschaft gelten. Ein Irrtum über die Vaterschaft ist dann unbeachtlich, wenn der Kläger wusste oder damit rechnete, dass die Mutter in der Empfängniszeit mit Dritten Geschlechtsverkehr hatte (vgl. BGer 5C.130/2003, Urteil vom 14. Oktober 2003 E. 1).
Anmerkung zu Art. 256 ff. ZGB, Beweisführung:
Der Beweis der Nichtvaterschaft kann beispielsweise mittels medizinischen (Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter sexueller Kontakt zur Empfängnis geführt hat) oder erbbiologischen (Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Abstammung oder Nichtabstammung aufgrund von Erbmerkmalen) Gutachten geführt werden.
Anmerkung zu Art. 256 ff. ZGB, Wirkung der Anfechtungsklage:
Die Beseitigung des Kindesverhältnisses zwischen Ehemann und Kind erfolgt ex tunc. Bereits geleistete Unterhaltsbeiträge können nach Art. 62 ff. OR zurückgefordert werden.
Anmerkung zu Art. 257 ZGB, Doppelte Ehelichkeit:
Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen (sog. doppelte Ehelichkeit), so gilt der zweite Ehemann als Vater (Art. 257 Abs. 1 ZGB), solange die Vermutung seiner Vaterschaft nicht beseitigt ist (Art. 257 Abs. 2 ZGB).
Anmerkung zu Art. 259 Abs. 2 ZGB:
Folgt der Anerkennung die Heirat der Eltern, wird der Kreis der Anfechtungsberechtigten zwar eingeschränkt, ist aber immer noch weiter als jener der zur Anfechtung der Ehelichkeitsvermutung Berechtigten (Art. 256 ZGB). Selbst wenn also der mit dem Kind nicht genetisch verwandte Anerkennende eine sozialpsychische Beziehung zum Kind lebt, kann ihm das väterliche Kindesverhältnis viel einfacher entzogen werden (Art. 260a Abs. 1, Art. 259 Abs. 2 ZGB), als dem mit dem Kind nicht genetisch verwandten Ehemann, der vielleicht keine solche Beziehung zum Kind lebt (Art. 256 ZGB). Mit anderen Worten kann namentlich der genetische Vater des Kindes das Kindesverhältnis zum Anerkennenden beseitigen, jedoch gegen den als Vater gesetzlich vermuteten Ehemann nichts unternehmen. Dies entspricht einer Ungleichbehandlung von ausserehelichen und ehelichen Kindern, die nur mit dem Schutz der Institution Ehe erklärbar ist.
Anmerkung zu Art. 259 Abs. 2 ZGB, Anfechtungsberechtigte:
Anfechtungsberechtigt sind dann noch die Mutter, das Kind, die Heimat- oder Wohnsitzgemeinde des Ehemannes und der Ehemann (Art. 259 Abs. 2 ZGB).
Anmerkung zu Art. 260 Abs. 1 ZGB, Anerkennung bei Anonymität der Mutter?:
In der Literatur ist strittig, ob ein Kind auch anerkannt werden kann, wenn die Kindesmutter unbekannt ist.
Anmerkung zu Art. 260 Abs. 1 ZGB, Gültigkeit der bewusst unrichtigen Anerkennung:
So beispielsweise, wenn der Anerkennende aufgrund des zu geringen Altersunterschieds zum Kind offensichtlich nicht sein biologischer Vater sein kann. Nach anderer Lehrmeinung darf das Zivilstandsamt jedoch in solchen Fällen die Beurkundung der Anerkennung ablehnen.
Anmerkung zu Art. 260 Abs. 2 ZGB:
Ist der Anerkennende minderjährig, steht er unter umfassender Beistandschaft oder hat die Erwachsenenschutzbehörde eine entsprechende Anordnung getroffen, so ist die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters notwendig.
Anmerkung zu Art. 261 Abs. 1 ZGB, Klageberechtigung des Kindes:
Das urteilsfähige Kind kann die Vaterschaftsklage selber erheben (höchstpersönliches Recht, Art. 19c ZGB).
Anmerkung zu Art. 261 ff. ZGB, Bestehendes Kindesverhältnis:
Die Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes (Art. 255 Abs. 1ZGB) bzw. die Vaterschaft des Anerkennenden (Art. 260 Abs. 1 ZGB), ein bereits gefälltes Vaterschaftsurteil (Art. 261 Abs. 1 ZGB) oder die Adoption (Art. 267 ZGB) – auch die Einzeladoption – schliessen demnach eine Vaterschaftsklage aus.
Anmerkung zu Art. 261 ff. ZGB, Samenspender:
Nach Art. 23 Abs. 2 FMedG ist die Vaterschaftsklage aber gegen den Samenspender im Falle der heterologen Insemination grundsätzlich ausgeschlossen.
Anmerkung zu Art. 262 Abs. 3 ZGB, Mehrverkehrseinrede:
Greift eine der beweislasterleichternden Vermutungen von Art. 262 Abs. 1 oder Art. 262 Abs. 2 ZGB, muss der Beklagte sie damit widerlegen können, dass seine Vaterschaft weniger wahrscheinlich als die eines Dritten (sog. Mehrverkehrseinrede) oder gar ausgeschlossen ist (Art. 262 Abs. 3 ZGB).
Anmerkung zu Art. 263 Abs. 3 ZGB, Wichtige Gründe:
Dazu zählt regelmässig die Verheimlichung der Identität des Vaters vor dem Kind, da es in diesem Fall verhindert ist, die Klage fristgerecht einzureichen.
Anmerkung zu Art. 296 Abs. 2 ZPO, Durchsetzung:
Die Verweigerung zumutbarer Mitwirkung kann mit der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB sanktioniert oder bei der Beweiswürdigung zulasten des Pflichtverletzers gewertet werden.
Anonyme Geburt, Adoptionsfreigabe, Frankreich:
Unter dem Vorbehalt, dass kein Kindesverhältnis zum Vater besteht (vgl. dazu die Anerkennung, Art. 316 Code civil).
Anonyme Geburt, Frankreich:
Zur Zulässigkeit dieser Regelung mit Blick auf Art. 8 EMRK, vgl. EGMR, Odièvre c. France, 13.02.2003. Das Gesetz Nr. 2002-93 vom 22. Januar 2002 schreibt neu die Aufklärung der Mutter über die rechtlichen Konsequenzen ihrer Entscheidung vor (Art. L 222-6 Code de l’action sociale). Sie wird aufgefordert, Auskünfte über ihre Gesundheit, den Vater des Kindes und die Umstände der Geburt, gegebenenfalls sogar Angaben über ihre Identität zu hinterlassen, kann dazu jedoch nicht gezwungen werden. Hinterlässt sie ein verschlossenes Couvert mit den entsprechenden Angaben, darf dieses nur mit ihrer Zustimmung geöffnet und der Inhalt dem Kind mitgeteilt werden (Art. L 147-6 Code de l’aide sociale).
Anspruch auf Kenntnis der biologischen Vaterschaft:
Ein Vater hat jedoch unabhängig von einem Ehelichkeitsanfechtungsverfahren nach Art. 256 ff. ZGB (also auch nach Ablauf der Klagefristen) einen Anspruch auf Kenntnis über die eigene biologische Vaterschaft bzw. Nicht-Vaterschaft (OGer LU, Urteil vom 18. September 2012 = FamPra.ch 2013, 220 ff.).
Anzeigepflicht bei Geburt:
Anzeigepflichtig sind in folgender Reihenfolge: Direktionen von Kliniken, Heimen und Anstalten, Behörden, die Kenntnis von der Geburt erhalten, zugezogene Ärztinnen und Ärzte und deren Hilfspersonen, Familienangehörige und andere anwesende Personen (Art. 34 ZStV).
Aussergerichtliches Abstammungsgutachten, schriftliche Zustimmung:
Da es sich bei der Abstammungsuntersuchung um einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte handelt, muss bzw. müssen für die betroffene, urteilsunfähige, minderjährige Person der bzw. die gesetzliche(n) Vertreter zustimmen (Art. 19 Abs. 1 ZGB). Verweigert die (mit)sorgeberechtigte Mutter eines urteilsunfähigen Kindes ihre Zustimmung zur Abstammungsabklärung, müsste dem Kind ein Vertretungsbeistand bestellt werden, der seine Interessen wahrt (Art. 306 Abs. 2 i.V.m. Art. 392 Ziff. 2 ZGB).
Ehelichkeitsvermutung, Anfechtung durch genetischen Vater, Rechtsvergleich:
Anfechtungsberechtigt ist der potentielle genetische Vater in Deutschland: § 1600 I Nr. 2 BGB und Belgien: 332ter Abs. 1 CC.
Ehelichkeitsvermutung, Anfechtung durch Mutter, Rechtsvergleich:
Deutschland: Art. 207 Abs. 1 lit. a BW, solange das Kind jünger als 16 Jahre ist; Belgien: Art. 332ter Abs. 1 CC.
Ehelichkeitsvermutung, Rechtsvergleich:
So Deutschland: Art. 252 Abs. 2 ZGB; Niederlande: Art. 199 lit. a BW; Belgien: Art. 315 CC; Frankreich: Art. 312 CC; Schweden: Kap. 1, § 1 ElternG; Dänemark: § 1 Abs. 1 KinderG und § 2 Abs. 1 Satz 1 KinderversorgungsG; Norwegen: § 3 Abs. 1 KinderG.
Elternschaft, mehrfache oder gespaltene:
Durch die Zunahme der Zahl von Scheidungen, Wiederverheiratungen und damit verbunden von Stieffamilien fallen die biologische und die soziale Elternschaft vermehrt auseinander (sog. mehrfache oder gespaltene Elternschaft).
Geburt, anonym:
Sog. accouchement sous X.
Geburtsregistereintrag:
Die Eintragung muss Familiennamen und Vornamen der Mutter und des Kindes, Geschlecht des Kindes, Ort und Zeit der Geburt umfassen
(vgl. Art. 8 ZStV).
kein Kindesverhältnis zu einem zweiten Elternteil:
Sei es aufgrund der Vermutung gemäss Art. 255 oder Art. 255a ZGB, der Anerkennung oder aufgrund eines anderen Vaterschaftsurteils.
Kindesverhältnis zur Mutter, Entstehung:
Das Kindesverhältnis zur Mutter entsteht durch die Geburt.
Klageberechtigung des Kindes:
Um die Anfechtungsklage selbständig erheben zu können, genügt Urteilsfähigkeit (Art. 19c Abs. 1 ZGB). Ist das Kind urteilsunfähig, so wird ihm ein Beistand bestellt (Art. 306 Abs. 2 ZGB) der in seinem Namen die Anfechtungsklage erhebt, wenn das Kindesinteresse dies verlangt.
Mater semper certa est:
Selbst wenn die Mutter nicht bekannt ist oder sie schon vor der Geburt einer Adoption zustimmt (Art. 265a, Art. 265b ZGB), ändert dies nichts an ihrer Mutterschaft kraft Geburt. Anderslautende vertragliche Abreden sind gemäss Art. 20 Abs. 1 OR nichtig.
Mater semper certa est, andere Länder Europas:
So beispielsweise Norwegen: § 2 KinderG; Niederlande: Art. 198 BW; Deutschland: § 1591 BGB; England: Sec. 27 HFE Act 1990.
Mutter, genetische und biologische:
Namentlich die Ei- und Embryonenspende sowie die Leihmutterschaft.
Mutter, gesetzliche:
Die einzige Ausnahme hiervon bildet der Adoptionsakt (Art. 252 Abs. 3 ZGB).
Mutterschaft, gespaltene:
Eine Spaltung der Mutterschaft in eine genetische (Eizellen-/Embryonenspenderin) und eine biologische (Leihmutter) soll möglichst verhindert werden (vgl. dazu Art. 4 FMedG der Schweiz). Vgl. dazu Buzzanca v. Buzzanca, 61 Cal. App. 4th 1410 (1998), wo sechs verschiedene Personen als potentielle Elternteile in Frage kamen oder den Entscheid des Court of Appeal for Ontario, Canada, AA. v. BB., 02.01.2007, wo das Gericht sogar eine zweite Frau als Mutter festgestellt hat.
Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, Bedingter oder unbedingter Anspruch?:
Aus verfassungs- und völkerrechtlicher Sicht kommt das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zwar jedem Kind unabhängig von der Art seiner Zeugung zu, muss aber national nicht als unbedingtes Recht ausgestaltet werden. Ein absoluter, das heisst unbedingter Anspruch besteht in der Schweiz nur für volljährige, durch heterologe Insemination gezeugte Kinder (BGE 134 III 241). Nach anderer Auffassung muss eine Abwägung erfolgen, da ein unbedingter Anspruch des natürlich gezeugten Kindes auf Kenntnis seines genetischen Vaters in seiner Familie aufgrund möglicher Informationsinkongruenzen eine Tragödie auslösen könnte.
Vaterschaft, Ein einziger rechtlicher Vater:
Das deutsche Recht beispielsweise sieht jedoch mit der Stiefkindadoption durch den eingetragenen Lebenspartner eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Dabei erlischt das Kindesverhältnis zur leiblichen Mutter und hat letztlich doch „nur“ zwei Elternteile (§ 9 VII LPartG).
Vaterschaft, Vermutung zugunsten Lebenspartner:
So Kanada: Baird, (1997-98) 15 C.F.L.Q. 103, 106; Australien: Sec. 69Q FLA 1975.