3. Art. 151 Abs. 1 ZGB hat den Zweck, grundsätzlich jenen Schaden zu decken, der bei der Scheidung dadurch entsteht, dass die Versorgung der Ehegatten und der Kinder nicht mehr durch
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das einträchtige Zusammenwirken von Mann und Frau im gemeinsamen Haushalt gesichert ist (BGE 107 II 400). In welchem Masse nach der Scheidung beide Ehegatten für ihren eigenen Unterhalt sorgen können und müssen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (SCHNYDER, ZBJV 121/1985 S. 83; HAUSHEER, Das neue Eherecht und seine Auswirkungen auf die Scheidung, Berner Tage für die juristische Praxis (BTJP) 1987, Bern 1988, S. 211 ff.).
a) Tritt die Scheidung nach wenigen Ehejahren ein und handelt es sich um junge und kinderlose Ehegatten, was verhältnismässig häufig vorkommt, kann regelmässig wieder bei den vorehelichen Verhältnissen angeknüpft werden. Das hat das Bundesgericht in BGE 109 II 184 mit der Formel zum Ausdruck gebracht, es gelte zu prüfen, ob die geschiedene Frau in der Lage sei, sich auf längere Sicht eine wirtschaftliche Situation zu schaffen, in der sie nicht schlechter gestellt sein werde, als wenn sie die Ehe nicht eingegangen wäre (dazu u.a. GROSSEN, in Problèmes de droit de la famille, Festgabe Juristentag 1987, S. 64 f.; vgl. auch HAUSHEER, Neuere Tendenzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Bereiche der Ehescheidung, ZBJV 122/1986 S. 57 f. und SCHNYDER, ZBJV 122/1986 S. 83 f.). Diese Betrachtungsweise entspricht den gegebenen Lebensverhältnissen umso mehr, als in aller Regel die beiden kinderlosen und jungverheirateten Ehegatten während der Ehe ihre bisherige Erwerbstätigkeit fortgesetzt haben.
b) Anders stellt sich die Situation nach langer Ehedauer dar. Hier ist insbesondere zu beachten, dass das bis zum 1. Januar 1988 geltende Zivilgesetzbuch von 1907 die Ehefrau grundsätzlich zur Aufgabe ihrer vorehelichen Erwerbstätigkeit angehalten hat, indem es ihr von Gesetzes wegen die Haushaltführung auferlegte (Art. 161 Abs. 3 aZGB). Nach langen Ehejahren drängte sich daher die Frage auf, ob die geschiedene Frau überhaupt die wirtschaftliche Selbständigkeit wiederum erreichen könne und ob ihr dies nach den konkreten Verhältnissen zuzumuten sei. Im Hinblick auf solche Lebensumstände hat das Bundesgericht in BGE 110 II 225 ff. festgehalten, es sei im Einzelfall abzuklären, ob sich die geschiedene Frau auf längere Sicht eine wirtschaftliche Situation werde schaffen können, welche die durch die Scheidung erlittenen Nachteile auszugleichen vermöge (siehe auch BGE 111 II 306, allerdings ohne die erforderliche Differenzierung).
c) Schliesslich ist auch auf die Interessen der aus der Ehe hervorgegangenen Kinder in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen.
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Zwar darf entgegen der vom Bezirksgericht geäusserten und von der Vorinstanz offensichtlich gebilligten Meinung der Unterhaltsbeitrag für die Kinder nicht mit demjenigen eines Ehegatten verknüpft werden. Die beiden Ansprüche unterscheiden sich nämlich in Bestand und Grundlagen, so dass sie ein getrenntes Schicksal haben, auch wenn zuzugeben ist, dass innerhalb der trotz der Scheidung weiterbestehenden Familie eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der geschiedenen Ehegatten und Eltern Platz greifen muss. Indessen ist die Kinderbetreuung, die über die Scheidung hinaus andauert, nicht ausschliesslich nur als Beitrag an den Kinderunterhalt im Sinne von Art. 276 Abs. 2 ZGB zu verstehen, vielmehr bedeutet diese Familienpflicht grundsätzlich auch eine Behinderung des betroffenen Ehegatten in der Wiedererlangung der wirtschaftlichen Selbständigkeit nach der Scheidung. Diese Betrachtungsweise hat bewirkt, dass das Bundesgericht auch in seiner jüngsten Rechtsprechung daran festgehalten hat, dass der Unterhaltsbeitrag für den die Kinder betreuenden Elternteil im Rahmen von Art. 151 Abs. 1 ZGB so lange zu erbringen ist, bis das jüngste aus der Ehe hervorgegangene Kind das 16. Altersjahr vollendet hat (BGE 109 II 286 ff.). Diese Rechtsprechung wollte aber nicht zum vornherein weitere Unterscheidungen ausschliessen, die sich daraus ergeben, dass Kinder schon vor dem 16. Altersjahr einen Elternteil nicht mehr dauernd beanspruchen. Einem betreuenden Elternteil kann daher die Aufnahme einer gewissen Teilzeitarbeit an sich schon zugemutet werden, wenn das jüngste Kind mit zehn Jahren dem Kleinkindalter entwachsen ist (HAUSHEER, ZBJV 122/1986 S. 61 mit Hinweisen; BGE 114 II 303 E. d).