5. Entgegen der Auffassung des Beklagten fällt daher vor allem für die Frage nach der Zumutbarkeit einer an sich möglichen Wiedereingliederung der geschiedenen Frau ins Erwerbsleben auch die Schwere seines Scheidungsverschuldens ins Gewicht. Dies allerdings nur als Ergänzung zur besonders bedeutsamen Ehedauer und zum Alter des anspruchsberechtigten Gatten (HAUSHEER, BTJP 1987 S. 216 f.). Gerade dieser Gesichtspunkt der Zumutbarkeit hat in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichts angesichts der wirtschaftlichen Belastung, welche eine unbefristete Unterhaltsersatzrente für den Verpflichteten darstellt, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Rechtsprechung wurde tatsächlich im Hinblick auf das Alter des anspruchsberechtigten Gatten und die Ehedauer vermehrt und nachhaltiger vor die Frage gestellt, wann die Zusprechung einer Dauerrente und wann nur eine zeitlich befristete Rente als angezeigt erscheine. Eine zeitliche Befristung führt aber in aller Regel dazu, dass der anspruchsberechtigte Ehegatte spätestens nach einer Übergangsperiode eine wirtschaftliche Tätigkeit wiederaufnehmen oder eine bereits ausgeübte weiter ausdehnen muss. Mit der zeitlichen Begrenzung der Unterhaltsersatzrente wird somit regelmässig auch über die Zumutbarkeit der Wiedereingliederung der geschiedenen Frau ins Erwerbsleben befunden.
a) Gemäss der Rechtsprechung ist bei Scheidung nach langer Ehedauer dem haushaltführenden Ehegatten, der auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, die Wiederaufnahme einer solchen dann nicht mehr zuzumuten, wenn er im Zeitpunkt der Scheidung das 45. Altersjahr erreicht hat. Wird er vor dieser Altersgrenze geschieden, hat er, unter Vorbehalt besonderer Umstände wie etwa eines schlechten Gesundheitszustandes, nur auf eine befristete Unterhaltsersatzrente Anspruch (BGE 114 II 9 ff.; HAUSHEER, BTJP 1987 S. 216 ff. mit weiteren Hinweisen). Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine starre Regel, von der im Einzelfall nicht abgewichen werden könnte. Indessen erfordert das Gebot der Gleichheit in der Rechtsanwendung, dass
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das Abweichen von der Regel durch besondere Umstände gerechtfertigt sein muss.
b) An dieser Betrachtungsweise hat sich auch mit dem Inkrafttreten des neuen Eherechts am 1. Januar 1988 nichts geändert. Wie das Bundesgericht in BGE 114 II 15 E. 3 festgehalten hat, hat zwar der neue Art. 163 ZGB im Vergleich zum bisherigen Recht eine bedeutsame Änderung herbeigeführt, indem auf jegliche Aufgabenteilung unter den Ehegatten von Gesetzes wegen verzichtet wird. Frau und Mann haben sich darüber vielmehr nach eigenem Gutdünken zu einigen. Eine solche Lösung lässt aber auch zu, dass sich die Ehegatten weiterhin die Aufgaben in der ehelichen Gemeinschaft in einer Weise zuordnen, wie sie der bisherigen Gesetzgebung entsprochen hat. In einem solchen Fall ist im Rahmen von Art. 151 Abs. 1 ZGB auch weiterhin dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Ehegatte zugunsten der ehelichen Gemeinschaft auf eine wirtschaftliche Selbständigkeit und eine allfällige Karriere verzichtet hat. Es kann daher nach der Eherechtsreform nicht einfach darauf verwiesen werden, unter neuem Recht stehe dem haushaltführenden Ehegatten von Gesetzes wegen kein Anspruch mehr zu, seinen Beitrag an den ehelichen Unterhalt ausschliesslich und für immer durch innerhäusliche Arbeit zu erbringen. Die Ehefrau habe dementsprechend auch nicht mehr die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, dass sie an sich jederzeit auf eine freiwillig ausgeübte Erwerbstätigkeit während der Ehe wieder hätte verzichten können. Vielmehr steht die Ehe - wie sie auch immer gelebt wird - unter neuem Recht nach wie vor unter dem Schutz des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGE 114 II 15 f. E. 3). Sonst müsste das neue Eherecht sein Ziel verfehlen, den Ehegatten die innere Ausgestaltung ihrer Ehe zu überlassen (HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, 2. Aufl., S. 158 Rz. 16.25; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar zum Eherecht, N. 46 zu Art. 163 und N. 11 ff. zu Art. 173 ZGB).
Dieser Gesichtspunkt ist dann aber auch bei der Anwendung von Art. 151 Abs. 1 ZGB zu berücksichtigen (HAUSHEER, ZBJV 122/1986 S. 68 ff., und BTJP 1987 S. 219 ff.; vgl. auch BRÄM, Auswirkungen von Art. 163-165 nZGB auf Renten bei Scheidung und Getrenntleben, SJZ 84/1988 S. 59; KEHL-ZELLER, Die Bemessung von Entschädigungs- und Bedürftigkeitsrenten gemäss Art. 151 und 152 ZGB, 2. Aufl., Zürich 1986, S. 37 f., allerdings zu sehr verallgemeinernd). Der von den Ehegatten zu vereinbarenden Aufgabenteilung hat der Richter schon während bestehender
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Ehe im Rahmen von Art. 173 ZGB Rechnung zu tragen, wenn er den beidseitigen Unterhaltsbeitrag mangels Einigung der Ehegatten zu bestimmen hat. In diesem Fall trifft zwar die Feststellung des Obergerichts zu, dass nach neuem Recht auf seiten der Ehefrau neu alle Einkünfte aufzurechnen sind; indessen kann dies nicht heissen, wie das das Obergericht anzudeuten scheint, dass die Geldbeiträge unter den Ehegatten stets proportional aufgeteilt werden müssten, auch wenn ein Ehegatte im Vergleich zum andern im innerhäuslichen Bereich nur in beschränktem Masse tätig ist (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 9 zu Art. 173 ZGB; dies im Unterschied zur Festsetzung der pfändbaren Quote, die einerseits auf dem Existenzminimum von Mann und Frau und anderseits nur auf dem Einkommen beider Ehegatten beruht: BGE 114 III 15 f. E. 3). Massgebend für die Anwendung von Art. 151 Abs. 1 ZGB bleibt dann allerdings nur mehr die Nachwirkung dieser Verhältnisse während der Ehe auf die wirtschaftliche Stellung der Ehegatten nach der Scheidung.