5.1.3 Bundestaatlichkeit (Föderalismus)

Obwohl der amerikanische Unabhängigkeitskampf die Französische Revolution wohl massgeblich inspiriert hatte, so war die zentrale Frage der Staatsform gerade nicht Rezeptionsgegenstand. Das Modell des Bundesstaats wurde nicht übernommen, da in Frankreich eine Dezentralisation wohl als Rückschritt in das Mittelalter und als Gefährdung des Staates aufgefasst worden wäre.

In der Folge oktroyierte Frankreich in der Schweiz 1798 im Zuge der helvetischen Revolution die Form des Einheitsstaats. Während man schon in Frankreich über die Angemessenheit dieses Systems hätte streiten können, war es klar, dass es erst recht unpassend sein würde im Kontext des vormaligen losen Staatenbunds aus 13 unabhängigen, in sich abgeschlossenen Staaten.

Schon um die Jahrhundertwende begannen daher erste Diskussionen in der Schweiz um die ideale Staatsform, wobei das US-System ein beliebtes Gesprächsthema war: Bernhard Friedrich Kuhn, erster Präsident des helvetischen Grossen Rats setzte sich 1800 als überzeugter Unitarier für einen starken Einheitsstaat ein. Er lehnte das Bundesstaatssystem ab, da die Amerikaner ja selbst nicht damit zufrieden seien – eine Einschätzung, die so pauschal mit Sicherheit nicht zutraf. Gleichzeitig machte sich etwa der Waadtländer Pfarrer Frédéric Monneron für eine "unité fédérative" stark: Dieses System fördere den Wohlstand aller Landesgegenden und sorge für den einzig "wahren Volksstaat". Der Einheitsstaat, so Monneron, habe nur Vorteile für die Regierung, nicht aber für das Volk.

Im Februar 1801 bestätigte der helvetische Gesandte in Paris, Philipp Albert Stapfer, dass Napoleon für die Schweiz die amerikanische Staatsform bevorzuge. Die (wohl von Napoleon selbst entworfene) Verfassung von Malmaison versuchte denn auch, genau dies umzusetzen: Die vorgesehene Legislative war aufgeteilt in Tagsatzung und Senat, welche Bevölkerung respektive Gliedstaaten vertreten sollten. Die Exekutivmacht wurde einer Einzelperson, dem Landammann, zuteil. Diese Verfassung sollte allerdings ein kurzlebiger Entwurf bleiben: Sowohl Unitaristen als auch Föderalisten lehnten sie als fremdes Diktat ab. In der Folge lässt sich eine föderale Reaktion auf diese Diskussion erkennen. In der Mediationsverfassung und insbesondere im Bundesvertrag 1815 wurde der Partikularismus der Kantone nachdrücklich betont.

Erst in der Regeneration fand wiederum eine geistige Annäherung an die USA statt. Im Windschatten der Julirevolution wurden die Ideen der Volkssouveränität, Rechtsgleichheit und der Freiheitsrechte (insbesondere Religions- und Pressefreiheit sowie Petitionsrecht) aufgegriffen. 1833 legte I.P.V. Troxler sodann ein Plädoyer für den Bundesstaat vor. In seiner Schrift "Die 7 Todsünden der Bundesurkunde" machte er sich stark für die Staatsform der USA und der Niederlande. Zunächst fand diese Schrift relativ wenig Beachtung, sollte dann aber in Diskussionen der Revisionskommission der Tagsatzung zur Sprache kommen. Auch war Troxler nicht der Einzige, der sich für diese Idee einsetzte. Der Zürcher Professor Johann Jakob Rütimann empfahl, den Mittelweg zwischen Staatenbund und Einheitsstaat einzuschlagen und auch James Fazy, der Führer der Genfer Radikalen, machte sich stark für das US-System. Fazy war in jungen Jahren mit General Lafayette verkehrt und hatte sich durch den französischen Helfer und Freiheitshelden der Amerikaner für die US-Institutionen begeistern lassen.

Über die ganze Bandbreite des politischen Spektrums setzte man sich nun für die Idee des Bundesstaats ein. Ohne tiefgreifende Diskussionen – gar beinahe implizit – entschied so die Revisionskommission Ende Februar 1848, dieses System umzusetzen. Die Schweiz sollte eine Einheit und Nation sein, während an der kantonalen Ordnung festzuhalten sei. Am 27. März 1848 folgte die Tagsatzung dem Vorschlag der Kommission vorbehaltlos, indem sie etwa die verfassungsgebende Gewalt wie folgt "aufteilte": Verfassungsänderungen bedurften künftig sowohl der Zustimmung der Mehrheit des Volkes als auch der Zustimmung der Mehrheit der Stände.

So kam es zur Ausgestaltung der Schweiz als Bundesstaat durch die BV von 1848 – mit den USA als direktes Vorbild.