Frage
Woher kamen die ideengeschichtlichen Einflüsse der amerikanischen Verfassung von 1789?
Zum einen kamen die ideengeschichtlichen Einflüsse aus der Übernahme der Englischen
Rechtstradition, zum anderen hatten Staatsphilosophen wie John Locke und Montesquieu
einen grossen Einfluss.
Frage
Welche Staatsphilosophen beeinflussten die US-Amerikanische Verfassung?
- John Locke
- Montesquieu
- James Harrington
- David Hume
- Jean Jacques Rousseau
- Thomas Paine
- Thomas Jefferson
- John Milton
- Alexander Hamilton, James Madison und John Jay.
Frage
Welchen Einfluss übte Montesquieu auf die US-amerikanische Verfassung aus?
Montesquieus Denken kreiste um die Frage, wie ein Staat verfasst sein müsse, um die
Freiheit des Einzelnen am besten zu gewährleisten. In Anlehnung an die Englische Verfassungstradition
kam er zum Schluss, dass die drei Gewalten Judikative, Legislative und Exekutive zu
trennen seien (horizontale Gewaltenteilung). Eine strikte Trennung lehnte er aber
ab, da in der Verschränkung der Gewalten ein Mittel sah zur gegenseitigen Kontrolle.
Er verlangte weiter, dass in keiner der Gewalten nur eine gesellschaftliche Schicht
vertreten sein dürfe. Die Gewalten seien zudem auch aus föderalistischen Motiven zu
trennen (vertikale Gewaltenteilung).
Aus Buch XI. Kapitel 6:
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Welche "Befugnisse" unterscheidet Montesquieu? Wie definierte er diese Befugnisse?
In Abs. 1 nennt Montesquieu drei Befugnisse:
Die legislative Gewalt erlässt die Gesetze, revidiert sie und hebt sie auf (Abs. 2).
Sie ist die "volonté génerale" des Staates (Abs. 16).
Die exekutive Gewalt besorgt die Aussen- und Sicherheitspolitik (Abs. 2, vgl. auch
63, 65) und führt die Gesetze ("volonté générale") aus (Abs. 6, 16, 29, 44).
Die rechtsprechende Gewalt bestraft Verbrechen und schlichtet Streitigkeit zwischen
Individuen (Abs. 2). Diese Gewalt wird als "quelque façon nulle" bezeichnet; aus Abs.
32 und dessen Kontext ergibt sich, dass damit nur die rechtsprechende Gewalt der Geschworenengerichte
gemeint ist.
Frage
Welche gesellschaftlichen Stände nennt Montesquieu?
Die politische Freiheit wäre verloren, schreibt Montesquieu in Abs. 4-6, wenn zwei
oder drei Befugnisse in einer einzigen Person oder Körperschaft vereinigt wären. Damit
spricht er auch die Stände an, welche Montesquieu wie folgt einteilt:
Das Volk ("le peuple"), das Bürgertum (Abs. 6).
Die "nobles" (Abs. 6) oder die "grands" (Abs. 48), d.h. die Adligen, die kraft Geburt,
Reichtum oder Ehrenstellung einen besonderen Status haben und die Montesquieu später
auf den Erbadel reduziert.
Die "principaux" (Abs. 6), der "prince" (Abs. 7), der Monarch (Abs. 36).
Frage
Welche verschiedenen Staatsorgane bzw. Teilorgane nennt Montesquieu?
An der Spitze steht der Monarch (Abs. 36, 37).
Die Minister sind die Gehilfen des Monarchen (Abs. 46) und sind diesem beigeordnet.
Die Volkskammer besteht aus dem vom Wahlvolk in lokalen Wahlkreisen gewählten Repräsentanten.
Sie bildet eine der zwei Parlamentskammern (Abs. 22, 31, 55).
Man kann auch das Wahlvolk als Staatsorgan ansehen; es ist jener Teil des Volkes,
der über das aktive Wahlrecht verfügt (Abs. 23, 27, 28). Ausnahmen vom Wahlrecht werden
in Abs. 27 dargelegt.
Die Adelskammer bildet die zweite Parlamentskammer und besteht aus den Erbadligen
(Abs. 30, 31, 33, 55).
Das Adelsgericht ist ein Ausschuss der Adelskammer (Abs. 48).
Das Volksgericht ist nicht permanent, sondern ein Schwurgericht, das periodisch in
neuer Zusammensetzung tagt. Es übt seine Funktionen folgendermassen aus: Die Geschworenen
werden durch Los dem Volk entnommen (Abs. 13) und gehören keinem bestimmten Berufsstand
an. Das Schwurgericht ist deshalb gleichsam "invisible et nulle". Man hat nicht ständig
Richter vor sich, weshalb man das Amt, und nicht die Amtsperson fürchtet (Abs. 14).
Die Geschworenen sind sozusagen "leblose Wesen" (Abs. 49). Bei Kapitalverbrechen können
die Angeklagten Geschworene abwählen.
Die Aufteilung zwischen Volksgericht und Adelsgericht ergibt sich aus dem Grundsatz,
dass die Stände nur durch ihresgleichen beurteilt werden sollen (Abs. 48). Der Monarch
untersteht deshalb gar keiner Gerichtsbarkeit (Abs. 45).
Es ist wichtig, dass die drei gesellschaftlichen Kräfte nun gerade nicht mit den drei
Gewalten deckungsgleich sind. Ebenso wenig sind die drei Befugnisse mit den Staatsorganen
kongruent. Montesquieu konstruiert vielmehr ein System von wechselseitigen Abhängigkeiten,
welche sein Staatsmodell ausbalancieren.
Frage
Ordnen Sie die Befugnisse den oben festgestellten Staatsorganen zu.
Das Volk
- Wahlrecht: Befugnis, Repräsentanten zu wählen (Abs. 27, 28);
Die Legislative
- Gesetzgebung: Befugnis, Gesetze zu erlassen (Abs. 2, 29, 35); Befugnis, das Haftrecht
zu regeln oder zu delegieren (Abs. 19, 20); Die Zivilgesetze richten sich an die Gerichtsbarkeit
(Abs. 2, 19 f., 29)
- Befugnis, alljährlich die Steuern festzulegen (Abs. 59, 60);
- Befugnis, alljährlich die Streitkräfte zu regeln (Abs. 60);
- Aufsichtsrecht: Befugnis, die Ausführung der Gesetze zu kontrollieren (Abs. 29, 44);
Befugnis, die Minister zu kontrollieren und zur Rechenschaft zu ziehen (Abs. 46);
- Veto gegen die andere Kammer (Abs. 55).
- Polizeigeneralklausel (kann die Legislative nicht handeln, so darf die Exekutive an
ihre Stelle treten – eine Art Gesetzesdelegation, Abs. 20).
Die Exekutive
- Oberbefehl: Befugnis, die Streitkräfte zu führen (Abs. 63, 65);
- Gesetzesvollzug: Befugnis, die Gesetze auszuführen (Abs. 6, 29, 44)
- Befugnis, die Aussen- und Sicherheitspolitik zu führen (Abs. 2);
- Einberufungsrecht: Befugnis, den Zeitpunkt und die Dauer der Parlamentssessionen zu
bestimmen (Abs. 41);
- Vetorecht: Befugnis des Königs oder einer Kammer, Gesetze zu verhindern (Abs. 30,
35, 42, 52, 53 55, 57); Befugnis, das Steuergesetz zu verhindern oder zu genehmigen
(Abs. 34, 42, 59);
Die Judikative
- Befugnis der gesetzeskonformen Rechtsprechung: diese hat dem "texte précis de la loi"
(Abs. 17), dem Buchstaben des Gesetzes (VI/3) zu entsprechen. Die Richter sind "la
bouche qui prononce les paroles de la loi" (Abs. 49).
- Befugnis zur Anklageerhebung im Fall politischer Verbrechen (Abs. 50);
- Befugnis zur Rechtsprechung im Fall politischer Verbrechen (Abs. 50).
Frage
Kann man Montesquieu die Aussage zuschreiben, er habe die dreiteilige Gewaltenteilung
mit Parlament (mit der Aufgabe der Gesetzgebung), Exekutive (mit Rechtsanwendung)
und Judikative (mit Rechtsprechung) erfunden? Falls nein: Was hat Montesquieu wirklich
konzipiert?
Die strikte Gewaltentrennung teilt die Staatsgewalt in die drei Funktionen der Gesetzgebung,
der Gesetzesausführung und der Rechtsprechung und weist jede Funktion einem Organ
(Parlament, Regierung und Gericht) zu. Dieses einfache Machtteilungskonzept ist von
vielen Autoren, so etwa auch von Kant vorgeschlagen worden, nicht aber von Montesquieu.
Dieses Modell der strikten Trennung blendet die ganz unterschiedlichen Formen der
Machtverschränkung nach den Vorschlägen von M. aus.
Aus Buch XI. Kapitel 3 und 4:
Frage
Welches sind die zwei wichtigen Grundgedanken des Kapitels "Worin die Freiheit besteht"?
Montesquieu definiert hier in etwas aphoristischer Weise die Freiheit. Danach besteht
gemäss Abs. 1 die politische Freiheit im Recht,
(1) tun zu dürfen, was die Gesetze erlauben;
(2) nicht tun zu müssen, was die Gesetze nicht gebieten;
(3) nicht tun zu müssen, was die Gesetze gestatten.
Montesquieu spricht hier nichts anderes aus als die Nomokratie: die Herrschaft durch
Gesetze als Instrument der Freiheitssicherung. Die Staatsgewalten sind an diese Gesetze
gebunden, ihre Macht ist so eingerichtet, dass die Macht die Macht bremst ("que le
pouvoir arrête le pouvoir", Abs. 4).
Hinweis: Harrington formulierte mit andern Worten die gleiche Idee, allerdings lehnte
Montesquieu das Modell von Harrington in Abs. 71 des England-Kapitels erstaunlicherweise
ab. Harrington schrieb: "Die Vollkommenheit politischer Ordnung liegt darin, daß sie
in ihrem Aufbau so im Gleichgewicht gehalten wird, daß niemand in oder unter ihr das
Interesse haben kann – oder wenn er das Interesse hat, nicht über die nötige Macht
verfügen kann – sie durch Aufruhr zu stören." Und: "Gebt uns gute Menschen und sie
werden uns gute Gesetze geben, ist die Maxime des Demagogen und zwar eine äußerst
fehlbare (aufgrund der Veränderung, die man gemeinhin an Menschen wahrnimmt, sobald
sie die Macht haben, ihren eigenen Willen durchzusetzen). Gebt uns gute Institutionen
(orders), und sie werden uns gute Menschen liefern, ist hingegen die Maxime des Gesetzgebers,
und sie ist in der Politik die unfehlbarste."
Aus den Büchern XII, VI, XV, XIX und XXIV:
Frage
Welche Freiheitsrechte postuliert Montesquieu in diesen Kapiteln?
Montesquieu postuliert folgende Rechte:
- Das Recht auf Sicherheit (Abs. 1-3)
- Das Rechtliche Gehör (Abs. 4)
- Die Gedankenfreiheit (Abs. 5)
- Die Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit (Abs. 6, 7, 8a)
- Die allgemeine Geltung des Gesetzes (Verbot der Einzelfallgesetze),
- Die Rechtsgleichheit (Abs. 8)
- Das Verbot der Ausnahmegerichte und der Anspruch auf dem gesetzlichen Richter (Abs.
9)
- Das Folterverbot (Abs. 10)
- Das Sklavereiverbot (Abs. 11)
- Das humanitäre Kriegsvölkerrecht (Abs. 12).
Aus Buch IX.Kapitel 1:
Frage
Was für eine Art Machtteilung schlägt Montesquieu hier vor?
Montesquieu nennt es die föderative Machtteilung. Dabei schlägt er eine Art Bundesstaat
vor, der im Bereich der Innenpolitik die Staatsmacht auf die Mitgliedsstaaten aufteilt.
Dadurch wird eine weitere Form der Machtteilung bewirkt, nämlich eine vertikale. Das
Thema wird schon von Harrington angesprochen.
Weitere Textstellen:
Frage
Nennen Sie Elemente aus der amerikanischen Unionsverfassung, welche von Montesquieu
entliehen sein können.
Montesquieu wurde von den Kolonisten der dreizehn englischen Kolonien in Nordamerika
eifrig gelesen. Die "Articles of Confederation" atmeten bereits den "Geist der Gesetze".
In den Debatten des Kontinentalkongresses wurde häufig auf dieses Werk Bezug genommen.
Gerade das Vorbild der von Montesquieu erwähnten Schweizer Eidgenossenschaft fasste
in Amerika Fuss. Man wollte die Vorteile kleiner, freiheitlicher Republiken bewahren
und sich zu einer lockeren Konföderation zusammenschliessen. Dies geschah dann in
der Tat, allerdings blieb die Konföderation wegen ihrer Mängel von bloss kurzer Dauer.
Schliesslich wurden wichtige Instrumente der Machthemmung in der amerikanischen Unionsverfassung
umgesetzt, nämlich:
- Das Bundesstaatsprinzip (Art. I Abschnitt 8 US-Verfassung, sowie Zusatzartikel X)
und (Buch IX Kapitel 1).
- Das Vetorecht des Präsidenten (I-7-2 US-V und B. XI Kap. 6 Abs. 42, 52, 53, 57).
- Das Impeachment (Art. II-4 / I-3-5 US-V und B. XI Kap. 6 Abs. 50)
- Das Zweikammerprinzip (Art. I-1 US-V und B. XI Kap. 6 Abs. 31). Es werden die beiden
Worten "Repräsentanten" (représentants") und "Senat" ("sénat") gebraucht.
- Die Bundesintervention (Art. IV-4 US-V und B. IX Kap. 1 Abs. 10 Sätze 1, 2, sowie
Abs. 11)
- Freiheitsrechte (Amendments I-IX und Text 1.3)
- Das Erstberatungsrecht des Repräsentantenhauses in Steuersachen (Art. I-7 Abs. 1 US-V
und B. XI Kap. 6 Abs. 34).
- Schliesslich kann man Montesquieu als einen Förderer bundesstaatlichen Denkens ansehen.
Er selbst hatte die Idee der "republique fédérative" propagiert, dessen Umsetzung
die Founding Fathers schlussendlich mit dem Amendment X vollzogen.