5.4.2 Eintretensvoraussetzungen

Nur wenn die Eintretensvoraussetzungen gegeben sind, erhält der Rechtsschutzsuchende Zugang zum Beschwerdeverfahren und damit einen Anspruch auf materielle Prüfung seines Begehrens. Es müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Zuständigkeit der angerufenen Beschwerdeinstanz (a)
  • Anfechtungsobjekt (b)
  • Zulässiger Beschwerdegrund (c)
  • Beschwerdelegitimation (d)
  • weitere Formalien (e)

Je nach Rechtsmittel können sich bei obigen Voraussetzungen Abweichungen ergeben.

a) Zuständigkeit

Es kann auf die vorstehenden Ausführungen unter 5.4.1 verwiesen werden.

b) Anfechtungsobjekt

Die formalen als auch inhaltlichen Anforderungen an ein Anfechtungsobjekt schränken den Kreis möglicher Anfechtungsobjekte stark ein. In formaler Hinsicht taugen meist nur Verfügungen bzw. Entscheide als Anfechtungsobjekt (Art. 44 VwVG, Art. 31 VGG, Art. 82 lit. a BGG). In (spezial-) gesetzlich vorgesehenen Fällen kann auch gegen Erlasse (sog. Normenkontrolle) oder Realakte (z.B. Akte betreffend die politische Stimmberechtigung gemäss Art. 82 lit. c BGG) Beschwerde geführt werden. Die anfechtbaren Rechtssetzungsakte können aus der Feder der Legislative, der Exekutive oder der Verwaltung stammen. Es sind jedoch die Einschränkungen von Art. 95 BGG zu beachten. Das Beschwerdeobjekt definiert das Rechtsmittel, mit welchem entweder das Bundesgericht oder das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden kann.

c) Beschwerdegründe

Die möglichen Beschwerdegründe verengen sich im Laufe des Instanzenzugs (Grundsatz der Einheit des Verfahrens). Die dazu korrelierende eingeengte Kognition wurde unter Kapitel 5.3 erläutert. Die möglichen Beschwerdegründe umfassen die Rechtswidrigkeit, die falsche Sachverhaltsfeststellung und die Unangemessenheit des Entscheids.

Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn der angefochtene Akt einen Rechtssatz verletzt. Unter Rechtsverletzung in Art. 49 lit. a VwVG ist die Verletzung allen Bundesrechts, einschliesslich von unmittelbar anwendbarem Völkerrecht, zu verstehen. Die Aufzählung möglicher verletzter Rechtsnormen erfolgt in Art. 95 BGG anders. Es gibt vier mögliche Verletzungsformen: Anwendung ungültigen Rechts, Anwendung unzutreffenden Rechts, unrichtige Anwendung des Rechts oder Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die qualifizierten Ermessensfehler (Ermessensmissbrauch, -überschreitung und -unterschreitung) zählen auch zu den Fällen von Rechtsverletzungen.

Stellt die verfügende Behörde den Sachverhalt unrichtig oder unvollständig fest, ist die Verfügung mit einem Rechtsfehler behaftet. Es ist daran zu erinnern, dass das Bundesgericht falsche Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gemäss Art. 97 BGG nur in Ausnahmefällen und unter bestimmten Voraussetzungen überprüft. Die Sachverhaltsfeststellung muss einerseits offensichtlich unrichtig sein oder auf einer Rechtsverletzung gemäss Art. 95 BGG basieren, andererseits muss die Behebung des Mangels möglich und für den Verfahrensausgang entscheidend sein.

Mit der Rüge der Unangemessenheit beanstandet der Beschwerdeführer, dass das Ermessen unzweckmässig ausgeübt wurde. Nur das Bundesverwaltungsgericht (Art. 49 lit. c VwVG), nicht jedoch das Bundesgericht, kann einen Ermessensentscheid überprüfen und ggf. abändern / an die Vorinstanz zurückweisen.

d) Beschwerdelegitimation

Im Verwaltungsverfahrensrecht setzt das Beschwerderecht neben der Partei- und Prozessfähigkeit Sachlegitimation voraus. Sachlegitimation kommt einer Person zu, deren Rechte oder Pflichten durch den angefochtenen Akt berührt werden.

Damit eine Person gültig ein Rechtsmittel einlegen kann, muss sie zur Beschwerde legitimiert sein. Diese Beschwerdelegitimation kann sich aufgrund schutzwürdiger Interessen (allgemeines Beschwerderecht) oder aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung ergeben.

Das allgemeine Beschwerderecht setzt kumulativ folgendes voraus: Formelle und materielle Beschwer sowie ein aktuelles und praktisches Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids (Art. 48 Abs. 1 VwVG, Art. 89 Abs. 1 BGG).

Eine Person ist formell beschwert, wenn sie am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat und ihrem Begehren nicht voll entsprochen worden ist. Die materielle Beschwer ist zweigeteilt. Einerseits setzt sie ein eigenes, schutzwürdiges und aktuelles Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Aktes voraus [Weiterführendes]. Andererseits muss die beschwerdeführende Person durch den angefochtenen Akt besonders berührt sein. Das Bundesgericht hat die materielle Beschwer folgendermassen zusammengefasst: Es erachtet „jedes praktische oder rechtliche Interesse“ als schutzwürdig, sofern der Beschwerdeführer „durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen“ ist und „in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache“ steht (BGE 131 II 587 E. 2.1) Ein Verfügungsadressat ist durch die betreffende Verfügung per definitionem besonderes berührt. Die vorausgesetzte materielle Beschwer soll Popularbeschwerden verhindern. Bei Drittbetroffenen, die Beschwerde führen möchten, ist im Einzelfall abzuklären, ob diese infolge besonderen Berührtseins ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung der Verfügung haben [Weiterführendes]. Aufgrund eigener schutzwürdiger Interessen können auch Verbände (juristische Personen, die körperschaftlich organisiert sind) in eigenem Namen und zur Wahrung eigener Interessen gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG und Art. 89 Abs. 1 BGG Beschwerde führen. Daneben anerkennen Praxis und Lehre die sog. egoistische Verbandsbeschwerde, mit welcher Verbände in eigenem Namen, jedoch im Interesse ihrer Mitglieder als Beschwerdeführer auftreten. Die egoistische Verbandsbeschwerde setzt kumulativ Folgendes voraus:

  • Der Verband ist eine juristische Person und ist gemäss seinen Statuten verpflichtet, die konkret in Frage stehenden Interessen seiner Mitglieder zu schützen
  • Von der Verfügung ist mindestens eine grosse Anzahl Mitglieder oder eine Mehrheit derselben betroffen
  • Jedes dieser Mitglieder wäre selbst dazu legitimiert, Beschwerde zu führen

Ausnahmsweise sind auch Körperschaften wie Gemeinden zur Beschwerdeführung aufgrund eigener schutzwürdigen Interessen gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG bzw. Art. 89 Abs. 1 BGG legitimiert. Das Bundesgericht anerkennt zwei Fälle: Wenn die Körperschaft von einem Entscheid gleich oder ähnlich wie eine Privatperson betroffen ist (z.B. wenn deren Finanzvermögen betroffen ist) oder wenn der fragliche Hoheitsakt diese in schutzwürdigen hoheitlichen Interessen berührt (BGE 134 II 45 E. 2.2.1). Das letztere Kriterium ist dann erfüllt, wenn ein Gemeinwesen in wichtigen öffentlichen Interessen (z.B. umweltpolitischen Interessen) erheblich berührt ist [Weiterführendes].

Neben dem allgemeinen Beschwerderecht räumt das Gesetz besondere Beschwerderechte ein (Art. 48 Abs. 2 VwVG, Art. 89 Abs. 2 BGG), damit öffentliche Interessen vertreten und gewahrt werden können. Auf Bundesebene werden sowohl Behörden als auch ideelle Organisationen zur Beschwerdeführung legitimiert. Ist ein solch gesetzliches Beschwerderecht vorgesehen, müssen die Berechtigten kein eigenes schutzwürdiges Interesse nachweisen. Ein aktuelles und praktisches Interesse wird jedoch – spezialgesetzliche Ausnahmen vorbehalten – dennoch vorausgesetzt. Art. 89 Abs. 2 BGG nennt explizit diejenigen Behörden, welchen ein solches Beschwerderecht eingeräumt wird. Art. 48 Abs. 2 VwVG (der durch die Verweisnorm von Art. 37 VGG auch zu Beschwerden ans Bundesverwaltungsgericht legitimiert) regelt dagegen lediglich, dass Bundesbehörden nur dann zur Beschwerde legitimiert sind, wenn ihnen ein Bundesgesetz diese Legitimation zugesteht. Die sog. ideelle Verbandsbeschwerde gemäss Spezialgesetz verlangt dagegen regelmässig die Teilnahme am Verfahren vor der Vorinstanz, also die formelle Beschwer (siehe z.B. Art. 55b Abs. 1 USG, Art. 14 Abs. 3 und 4 FWG). Damit sich Organisationen am vorinstanzlichen Verfahren überhaupt beteiligen können, wird im Gegenzug die amtliche Publikation von Verfügungen im betreffenden Bereich des Spezialgesetztes vorgeschrieben.

e) Formalien

Letztlich muss eine Beschwerde den von den Verfahrensgesetzen vorgeschriebenen formalen Anforderungen genügen. Dazu gehört u.a. die Wahrung der Beschwerdefrist (Art. 50 VwVG, Art. 100 BGG), die Schriftlichkeit des Begehrens, die hinreichende Begründung, die Vollmacht und die Unterschrift (Art. 52 VwVG, Art. 42 BGG).

An die Begründung werden bei Beschwerden an das Bundesgericht erhöhte Anforderungen gestellt. Diese Anforderungen gelten für alle Beschwerdearten, also auch für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Das sog. Rügeprinzip in Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG verlangt, dass der Beschwerdeführer „in gedrängter Form“ darzulegen hat, „inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt.“ Ein Beschwerdeführer muss sich mit der Argumentation der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid auseinandersetzen; blosse Verweise auf die ursprüngliche Rechtsschrift werden nicht genügen (BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Im Übrigen gelten diese Begründungsanforderungen auch für die Beschwerdeantwort, sollte der Beschwerdegegner mit vom Beschwerdeführer beanstandeten Erwägungen der Vorinstanz nicht einverstanden sein. Ist ein Begehren nicht hinreichend begründet, tritt das Bundesgericht nicht auf die Beschwerde ein; eine Nachfrist zur Ergänzung wird nicht gewährt. Das Bundesgericht prüft behauptete Verletzungen von Grundrechten, kantonalem Recht und interkantonalem Recht nur dann, wenn eine solche Rüge in der Beschwerde begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG) [Weiterführendes]. Beschwerden über Verletzungen von Normen, die von diesem Absatz nicht erfasst sind, kann das Bundesgericht aufgrund des Art. 106 Abs. 1 BGG (iura novit curia) dennoch gutheissen, selbst wenn die Parteien die Normen nicht (genügend) angerufen haben. In einem solchen Fall müssen jedoch wenigstens die Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt sein.