3. Gemäss Art. 754 Abs. 1 OR sind alle mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betrauten Personen der Gesellschaft gegenüber für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten verursachen. Als mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betraut im Sinne dieser Bestimmung gelten nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur Entscheidungsorgane, die ausdrücklich als solche ernannt worden sind, sondern auch Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen (BGE 114 V 218 E. 4e, BGE 112 II 185 E. 5a, BGE 107 II 353 E. 5; FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl., S. 205 ff. Rz. 638 ff.; BÜRGI/NORDMANN, N. 119 zu Art. 753/4 OR). In der neueren Literatur wird zudem darauf hingewiesen, dass die Organeigenschaft auch dann anzunehmen sei, wenn nach dem Vertrauensgrundsatz aus den äusseren Umständen auf eine solche Stellung geschlossen werden dürfe (FORSTMOSER, a.a.O., S. 214/5 Rz. 676 ff.).
Der Kläger beruft sich ausserdem auf Lehre und Rechtsprechung zum Organbegriff von Art. 55 ZGB. Als Organe im Sinne dieser Vorschrift gelten diejenigen Funktionäre einer juristischen Person, die nach Gesetz, Statuten oder einem davon abgeleiteten Reglement zur Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben berufen sind oder tatsächlich und erkennbar solche Aufgaben selbständig besorgen (OFTINGER/STARK, Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. II/1, S. 274 Rz. 15; GUTZWILLER, SPR Bd. II, S. 489 ff.; RIEMER, N. 100 ff. zu Art. 69 ZGB). Organe sind nach der Rechtsprechung auch jene Personen, die unter der Aufsicht des obersten Verwaltungsausschusses einer juristischen Person deren eigentliche Geschäftsführung
BGE 117 II 570 S. 572
besorgen oder sich sonst in leitender Stellung betätigen (BGE 104 II 197 mit Hinweisen).
Im allgemeinen wird der Kreis der gemäss Art. 754 Abs. 1 OR haftenden jenem der nach Art. 55 ZGB verantwortlichen Personen weitgehend gleichzusetzen sein. Eine Übereinstimmung ist jedenfalls dann anzustreben, wenn die für die Gesellschaft handelnde Person für Schaden verantwortlich gemacht wird, den sie unmittelbar einem Dritten verursacht hat. Denn in diesem Fall decken sich die Haftungsgrundlagen, sofern das beanstandete Verhalten nicht nur gesellschaftsintern pflichtwidrig ist, sondern auch eine unerlaubte Handlung darstellt (WATTER, Die Verpflichtung der AG aus rechtsgeschäftlichem Handeln ihrer Stellvertreter, Prokuristen und Organe, speziell bei sogenanntem "Missbrauch der Vertretungsmacht", Diss. Zürich 1985, S. 94 ff., Rz. 143 und 145). Nicht selbstverständlich ist dagegen die Gleichsetzung, falls es um den Ersatz von Gesellschaftsschaden und von mit diesem kongruentem mittelbarem Drittschaden geht (DRUEY, Organ und Organisation - Zur Verantwortlichkeit aus aktienrechtlicher Organschaft, SAG 53/1981, S. 77 ff.; WATTER, a.a.O., S. 91 Rz. 140). Die allgemeine Organhaftung beruht auf dem Gedanken der Verkörperung der juristischen Person nach aussen, der externen Vertretungsmacht. Sie dient vorab der Zurechnung vertretungsgemässen Handelns sowie der Abgrenzung zur Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR. Die Verantwortlichkeit für Gesellschaftsschaden und mittelbaren Gläubigerschaden gründet demgegenüber auf der Missachtung oder dem Missbrauch von Befugnissen und Pflichten des Innenverhältnisses, auf der Verletzung der gesellschaftsinternen Struktur- und Handlungsprinzipien, das heisst von Pflichten, die sich aus der gesellschaftsrechtlichen Stellung ergeben (dazu DRUEY, a.a.O., S. 81; WATTER, a.a.O., S. 98 Rz. 145).
Diese allgemeinen Gesichtspunkte sind im Einzelfall zu beachten. Sie müssen zu einer differenzierten Beurteilung führen und rechtfertigen es, dem verantwortlichkeitsrechtlichen Organbegriff in Berücksichtigung der konkreten Gesellschaftsstrukturen angemessene Grenzen zu setzen (DRUEY, a.a.O., S. 79). Die materielle Organstellung im Sinne von Art. 754 Abs. 1 OR bedingt zwingend eine tatsächliche oder allenfalls auch nur gegen aussen kundgegebene organisatorische Eingliederung in die Willensbildung der Gesellschaft. Zudem setzt die aktienrechtliche Verantwortlichkeit erst dort ein, wo die vertragliche, insbesondere arbeitsvertragliche Haftung aufgrund der organisatorischen und hierarchischen Stellung
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des Verantwortlichen nicht mehr als ausreichend oder sachgerecht erscheint (WATTER, a.a.O., S. 96 Rz. 144). Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn nicht eine blosse Führung der Geschäfte, sondern deren Leitung aufgrund selbständiger Entschlüsse vorliegt (DRUEY, a.a.O., S. 79).
Zu berücksichtigen ist zudem, dass die aktienrechtliche Verantwortlichkeit an die Missachtung jener Pflichten anknüpft, welche dem Organ durch seine gesellschaftsrechtliche Stellung, durch das dadurch gegebene Sonderverhältnis auferlegt sind (DRUEY, a.a.O., S. 81). Deshalb soll dieser Verantwortlichkeit nur unterstehen, wer sich nach der internen oder nach aussen kundgegebenen Gesellschaftsorganisation in einem solchen Sonderverhältnis befindet und die sich daraus ergebenden Pflichten in eigener Entscheidungsbefugnis zu erfüllen hat. Eine blosse Mithilfe bei der Entscheidfassung genügt nicht. An weitreichenden gesellschaftsrechtlichen oder -politischen Entscheiden wirkt in grösseren Gesellschaften oder Konzernen in der Regel ein breiter Kreis von auch hierarchisch untergeordneten Angestellten mit. Zu denken ist etwa an die Vorbereitung der Entschlussfassung durch die Bereitstellung technischer, kaufmännischer oder juristischer Grundlagen. Werden dabei Fehler im Sinne gesellschaftsrechtlicher Pflichtwidrigkeiten begangen, so richten sich deren Folgen vorab nach dem konkreten Vertragsverhältnis zur Gesellschaft. Die aktienrechtliche, organschaftliche Verantwortlichkeit greift dagegen nur dann Platz, wenn die Kompetenzen der Beteiligten wesentlich über die Vorbereitung und Grundlagenbeschaffung hinausgehen und sich zu einer massgebenden Mitwirkung bei der Willensbildung verdichten. Richtig ist daher, dass die aktienrechtliche Verantwortlichkeit für die Geschäftsführung grundsätzlich nur die oberste Leitung einer Gesellschaft, die oberste Schicht der Hierarchie trifft (DRUEY, a.a.O., S. 79).