12.8.4 Überschuldung

Bleibt der Verwaltungsrat untätig, so hat in offensichtlichen Fällen die Revisionsstelle die Anzeige vorzunehmen (Art. 728c Abs. 3 und Art. 729c OR).

BGer Urteil 4C.436/2006, E. 4.4:

„Auch wenn die subsidiäre Pflicht zur Benachrichtigung des Richters gemäss [Art. 728c Abs. 3 resp. 729c OR] grundsätzlich dort streng zu verstehen ist, wo die Aussichten auf eine Sanierung kaum realistisch erscheinen und daher von der Revisionsstelle verlangt wird, dass sie nach Ansetzung einer nützlichen Frist an den Verwaltungsrat selbst tätig wird, lässt sich ein Verzicht auf die subsidiäre Anzeige rechtfertigen, wenn nach den Umständen konkrete Aussicht besteht, eine Schädigung der Gläubiger ohne Konkurs abzuwenden.“

Auch Subordinationserklärung genannt. Ein Gläubiger verzichtet nicht etwa auf seine Forderung, sondern erklärt sich bereit, im Falle des Konkurses oder der Liquidation erst und nur dann Befriedigung zu verlangen, wenn sämtliche übrigen Gläubiger voll befriedigt sind. Der Rangrücktritt muss unbedingt und mindestens für so lange unwiderruflich sein, bis die Gesellschaft über ein minimales Eigenkapital verfügt, das ihr die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erlaubt.

Im Gegensatz zu den vorn (Kapitel 12.8.2) diskutierten Sanierungsmassnahmen, müssen die hier ins Auge gefassten Sanierungsmassnahmen schnell durchführbar sein, da der Verwaltungsrat die Benachrichtigung des Richters nur für eine kurze Zeitspanne von drei Wochen bis maximal zwei Monaten aufschieben kann.

Denkbar sind Sanierungsmassnahmen wie

- die Sanierungsfusion,

- ein sofortiges Sanierungsdarlehen oder

- der Verkauf von wertvollem, aber entbehrlichen Anlagevermögen („Versilberung von Kronjuwelen“, in der Praxis aber wohl schwierig zu bewerkstelligen).

BGE 116 II 533 E. 5a S. 541:

Das BGer schliesst sich den Lehrmeinungen an, wonach die Anzeige unterbleiben könne,

„solange Sanierungschancen beständen, es sei denn, Forderungen der Gesellschaftsgläubiger würden durch neuerliche Verschlechterung der finanziellen Lage gefährdet“.

Es liege auch keine Pflichtverletzung der Verwaltung vor

„wenn sie unverzüglich saniert, statt sich an den Richter zu wenden; jedenfalls handelt sie nicht schuldhaft, wenn sie in einer schwierigen Lage tut, was vernünftigerweise von einem Unternehmer erwartet werden darf“.

„Die Vorinstanz wird daher auch zu prüfen haben, ob bei allfälliger Überschuldung konkrete Aussichten auf eine Sanierung bestanden haben, welche es rechtfertigten, von einer sofortigen Benachrichtigung des Richters abzusehen.“