17.1.6 Vorsichtsprinzip

Das Vorsichtsprinzip gehört zu den in Art. 958cOR als massgeblich erklärten „Grundsätzen ordnungsmässiger Rechnungslegung“ und wird in Art. 960 Abs. 2 OR ausdrücklich genannt. Es verlangt, dass bei Ungewissheiten, vor allem im Zusammenhang mit der Bewertung von Aktiven und der Bildung von Rückstellungen die weniger optimistische und damit vorsichtigere Variante gewählt wird (Art. 960 Abs. 2 OR). Allerdings darf dadurch die zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht verhindert werden. Dieser Vorbehalt stellt eine Annäherung an die privaten Rechnungslegungsstandards (vgl. Kapitel 17.2.3) wie die Swiss GAAP FER und die IFRS, welche das Vorsichtsprinzip nur beschränkt angewendet sehen wollen und die Bildung von willkürlichen stillen Reserven verbieten (vgl. dazu z.B. Swiss GAAP FER 13; IAS/IFRS 37). Konkretisiert und erweitert wird das Vorsichtsprinzip durch das das termNiederstwertprinzip, das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip (vgl. dazu Art. 960a OR). -

Hinweise zur Konkretisierung des Vorsichtsprinzips

Gründe für das Vorsichtsprinzip sind u.a.

  1. die Idee des Gesetzgebers, dass zu tiefe Bewertungen im Interesse des Gesetzgebers liegen, auch wenn das Unternehmen mit einer tiefen Bewertung eine höhere Eigenkapitalrendite ausweisen kann, und
  2. die Überlegung, dass unter einem voll ausgeprägten Verkehrswertprinzip auch die Klarheit und Verständlichkeit der Rechnungslegung leiden würde, weil die unternehmenseigene Performance kaum mehr von Veränderungen gesondert werden könnte, die allein oder hauptsächlich vom Markt bestimmt sind.