Dieses Anhörungs- und Mitwirkungsrecht urteilsfähiger Kinder hat „self-executing-Charakter“
und ist somit direkt anwendbar (BGE 124 III 90 E. 3a).
Anmerkung zu Art. 298 Abs. 1 ZPO, Alter:
Laut Bundesgericht kommt die Anhörung im Sinne einer Richtlinie ab dem vollendeten
sechsten Altersjahr in Frage (BGE 131 III 553 E. 1.2.3 + 1.2.4).
Anmerkung zu Art. 298 Abs. 1 ZPO, Wichtige Gründe:
Klar zu unterscheiden ist die Anhörung als Recht des Kindes auf Meinungsäusserung
von der Pflicht der Behörde mittels Anhörung den Sachverhalt zu ermitteln. Folglich
kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn der Sachverhalt bereits auf andere
Weise erstellt worden ist (beispielsweise durch Beobachtung des Verhaltens). Andernfalls
wird das Kind durch eine direkte Konfrontation unnötigerweise Loyalitätskonflikten
ausgesetzt und würde so zum Spielball des die Anhörung verlangenden Elternteils (vgl.
BGer 5P.214/2005, Urteil vom 24. August 2005 E. 2.2.2).
Anmerkung zu Art. 298 ZPO, Anhörungsanspruch:
Die Eltern können somit im Rahmen der Sachverhaltsermittlung die Kindesanhörung als
Beweismittel anrufen (BGE 131 III 553 E. 1.1).
Anmerkung zu Art. 298 ZPO, Erklärung zur gemeinsamen elterlichen Sorge:
Nicht anzuhören ist das Kind bei der Abgabe der Erklärung über die gemeinsame elterliche
Sorge nach Art. 298a Abs. 1 ZGB, da dort kein behördlicher Entscheid ergeht.
Anmerkung zu Art. 299 Abs. 1 ZPO, Erfahrene Person:
Da bis anhin mangels spezifischer Ausbildung nur wenige Personen diese Voraussetzungen
erfüllten, ist eine „Tandem-Lösung“ bestehend aus einem Sozialarbeiter und einer Anwältin
für die Vertretung des Kindes wohl am besten geeignet.
Anmerkung zu Art. 299 ZPO, gesetzliche Vermutung, Prozessbeistandschaft:
Es handelt sich dabei um eine gesetzliche Vermutung, gemäss welcher in den erwähnten
Konstellationen, die Prüfung der Notwendigkeit der Kindesvertretung zwingend erfolgen
muss.
Anmerkung zu Art. 307 Abs. 3 ZGB, Doppelfunktion der Erziehungsaufsicht:
Die Problematik dieser Massnahme liegt gerade in dieser Doppelfunktion, erfordert
doch die konstruktive Beratung eine Vertrauensbasis, welche durch das gegebenenfalls
aus den Kontrollen resultierende Misstrauen wieder zerstört werden kann.
Anmerkung zu Art. 307 Abs. 3 ZGB, Erstes Gespräch:
In diesem informellen Gespräch mit der Behörde sollen den Eltern die Grenzen der eigenen
Erziehungs- (Art. 301 Abs. 1 ZGB) und Förderungsmöglichkeiten (Art. 302 Abs. 1 ZGB) aufgezeigt werden.
Anmerkung zu Art. 307 Abs. 3 ZGB, Erziehungsaufsicht:
Die Erziehungsaufsicht hat somit eine eher fachlich beratende, zurückhaltende und
überwachende Funktion, während der Erziehungsbeistand aktiv und autoritativ tätig
wird. Allerdings sei auch angemerkt, dass eine Erziehungsbeistandschaft i.d.R. nur
funktionieren kann, wenn die Kooperationsbereitschaft der Parteien vorhanden ist.
Anmerkung zu Art. 307 Abs. 3 ZGB, Mögliche Weisungen:
Mittels Weisung kann beispielsweise eine periodische Berichterstattung an eine Behörde,
die Durchführung einer Therapie, die Pflicht zur Wahrnehmung des Besuchsrechts, das
Ermöglichen von sinnvollen Freizeitbeschäftigungen oder ein Verbot, dem Kind körperlich
anstrengende und zeitintensive Arbeiten zuzumuten, angeordnet werden.
Anmerkung zu Art. 307 Abs. 3 ZGB, Weisung:
Die Weisung kann unter Androhung der Ungehorsamstrafe (Art. 292 StGB) erfolgen und hat deshalb einen verbindlicheren Charakter als die Ermahnung.
Anmerkung zu Art. 308 Abs. 2 ZGB, besondere Aufgaben:
Als besondere Aufgaben kommen beispielsweise die Wahrung eines Unterhaltsanspruchs,
die Förderung eines aussergewöhnlichen Talents, die Zustimmung zu einer Operation
oder die Suche nach einer Lehrstelle in Betracht.
Anmerkung zu Art. 308 Abs. 2 ZGB, Besuchsrechtsbeistand:
Der Beistand vermittelt in diesen Fällen Termine, schlägt Modalitäten vor und schlichtet
Auseinandersetzungen. Eine eigene Umgangsordnung kann er aber nicht selbst erlassen
oder beliebig modifizieren (BGE 118 II 241 E. 2d), da dies in den Kompetenzbereich der das Besuchsrecht regelnden Behörde fällt.
Anmerkung zu Art. 310 Abs. 2 ZGB, Beziehungsstörung:
Eine nicht anders zu bewältigende Beziehungsstörung kann vorliegen, wenn es zu schweren
Konflikten zwischen Eltern und Kind kommt, weil die Eltern den adoleszenten Ablösungsprozess
nicht verkraften oder dem Kind keinen Freiraum einräumen, sich zu einem selbstständigen
Wesen zu entwickeln (vgl. dazu BGer 5C.34/2002, Urteil vom 3. April 2002).
Anmerkung zu Art. 310 Abs. 3 ZGB, Ernstliche Entwicklungsgefährdung:
Zwar können vorwiegend jüngere Kinder sich bereits nach einigen Monaten von ihren
abwesenden Eltern entfremden. Wird jedoch die Beziehung zum Kind bei nur vorübergehender
Fremdbetreuung stets aufrechterhalten, muss die sorgeberechtigte Person keine Verweigerung
der Rücknahme befürchten (BGE 111 II 119 E. 5).
Anmerkung zu Art. 310 ZGB, Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts:
In der Praxis wird die Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts oft mit einer Beistandschaft
gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB verbunden, damit der Beistand eine geeignete Platzierung ausfindig machen, die Massnahme
überwachen, zwischen Eltern und Pflegeeltern/Anstalt vermitteln und die Beteiligten
gegebenenfalls auf eine Rückkehr des Kindes vorbereiten kann.
Anmerkung zu Art. 310 ZGB, Beziehungsunterbruch:
Dieses für beide Seiten traumatische Erlebnis stellt einen besonders tiefen Eingriff
in das als Menschenrecht geschützte Familienleben i.S.v. Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK dar, der nur aus gewichtigen Gründen zulässig ist und den späteren Zugang zueinander
nicht unnötig behindern darf (EGMR, EuGRZ 1988, 591 ff.).
Anmerkung zu Art. 311/312 ZGB, vom Entzug betroffene Personen:
Beachte: Die elterliche Sorge kann auch nur einem Elternteil entzogen werden; siehe
dazu die Ausführungen im nächsten Abschnitt.
Anmerkung zu Art. 311 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, Unvermögen:
Unvermögen dürfte regelmässig bei ständiger Ortsabwesenheit, einer psychischen Krankheit
oder Alkoholismus vorliegen.
Anmerkung zu Art. 311 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB, Unwilligkeit:
Fehlender Wille, Verantwortung für das Kind zu übernehmen.
Anmerkung zu Art. 314a Abs. 1 ZGB, Beauftragte Drittperson:
Eine systematische Delegation der Anhörung ist unzulässig, würde sie doch der ratio
legis widersprechen (BGE 127 III 295 E. 2a = Pra 2001 Nr. 193). Zu den Anforderungen an die Anhörung durch eine Drittperson
vgl. BGE 133 III 453 E. 3.
Anmerkung zu Art. 314a Abs. 2 ZGB, Unterschied zu Art. 299 Abs. 3 ZPO:
Im Unterschied zu Art. 299 Abs. 3 ZPO besteht in Kindesschutzverfahren bei einem entsprechenden Antrag des Kindes nicht
zwingend die Pflicht zur Einsetzung einer Kindesvertretung.
Aufenthaltsbestimmungsrecht, Obhut:
Seit dem 1. Juli 2014 heisst es Aufenthaltsbestimmungsrecht und nicht mehr Obhut.
Unter Obhut versteht man fortan nur noch die faktische Obhut, was bedeutet, mit dem
Kind in häuslicher Gemeinschaft zu leben.
Erziehungsbegleitung:
Beistand als Vertrauensperson für die Eltern und Ansprechperson für das Kind.
Kindesschutz, freiwilliger:
Zum Beispiel durch Inanspruchnahme von Hilfe der Schulbehörden, Verwandten, Freunden
oder Beratungsstellen.
Kindesschutzmassnahmen, Adressaten:
Die Massnahmen können jedoch nicht nur gegenüber den Eltern erlassen werden. Kinder,
die bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern
untergebracht sind, werden selbstverständlich vom Kindesschutz ebenfalls erfasst (Art. 307 Abs. 2 ZGB).
Kindesschutzmassnahmen, Kombination:
Zwar können mehrere Massnahmen nach den genannten Grundsätzen kombiniert werden, dürfen
jedoch letztlich nicht auf den faktischen Entzug der elterlichen Sorge hinauslaufen.
Die im konkreten Fall gebotene Massnahme ist unter Würdigung aller sozialen, medizinischen
und erziehungswissenschaftlichen Aspekte auszuwählen.
Kindesschutzmassnahmen, Wegfall:
Zu beachten ist auch, dass Kindesschutzmassnahmen, die infolge Aufhebung des gemeinsamen
Haushaltes der Eltern angeordnet wurden, selbst bei Wiederaufnahme des Zusammenlebens
bestehen bleiben (Art. 179 Abs. 2 ZGB).
Kindeswohlgefährdung, Definition:
Eine Kindeswohlgefährdung liegt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dann vor,
wenn „das Kind in der elterlichen Obhut nicht so geschützt und gefördert wird, wie
es für seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung nötig wäre“ (BGer 5C.258/2006, Urteil vom 22. Dezember 2006 E. 2.1).
Verdingung:
Versteigerung der Kinder an diejenigen, welche das geringste Kostgeld verlangten.
Vertretung der Interessen des Kindes:
Wie ist diese Rolle aber genau zu verstehen? Soll die Kindesvertreterin parteilich
sein und die Sichtweise des Kindes übernehmen oder ist sie ausschliesslich dem Kindeswohl
verpflichtet? Diese beiden Rollen schliessen sich gegenseitig nicht zwingend aus,
weshalb die Kindesvertreterin zu allererst Begleiterin des Kindes, Übersetzerin seines
Willens und Verstärkerin seiner Stimme ist. Sie kann dem Kind ihre Hilfe nur anbieten
und sollte sich ihm nie aufdrängen, sodass sich ihre Tätigkeit auch auf eine angemessene
Information des Kindes, auf die Kontrolle des Verfahrens sowie auf behutsame Vermittlung
beschränken kann.
Vertretung des Kindes, HKÜ:
Auch im Rahmen eines Rückführungsverfahrens nach HKÜ kann das zuständige Gericht eine
Vertretung des Kindes anordnen (vgl. Art. 6 Abs. 2 BG-KKE und Art. 9 Abs. 3 BG-KKE).