7.1.1 Vertretungsarten

Die Organe sind Teil der juristischen Person selbst, wie etwa der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft. Streng dogmatisch betrachtet kann man so nicht von «Vertretung» sprechen, da die Aktiengesellschaft im Verhältnis zu einem Dritten nicht anders handeln kann als durch ihren Verwaltungsrat (ausser dieser würde einen Vertreter für sich selbst bestellen). Von einem tatsächlichen Blickwinkel betrachtet sind Organe aber dazu bestimmt, mit Wirkung für andere (die Gesellschaft) zu handeln, so dass man sie als «Vertreter» verstehen kann.

Vertritt jemand eine Personengesellschaft, so handelt er nicht für die Gesellschaft (weil es eine entsprechende Rechtspersönlichkeit nicht gibt; siehe Kapitel 3.2.3), sondern für die Gesamtheit aller Gesellschafter. Dabei verpflichtet die handelnde Person auch gleich sich selbst mit. Ein Organ oder ein Vertreter einer Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit verpflichtet hingegen immer die Gesellschaft als solche. Demnach bedeutet «Vertretung» im Zusammenhang mit Personengesellschaften nicht «Handeln für eine andere Rechtsperson», sondern «Handeln für die anderen Mitgesellschafter und sich selbst».

Gesellschaften (wie übrigens auch Kaufmänner und Einzelunternehmer) haben ein Interesse daran, sich durch Personen vertreten zu lassen, die in Innenangelegenheiten nicht die Mitwirkungsrechte von Gesellschaftern haben. Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte sind also nicht Gesellschafter, sondern in aller Regel Arbeitnehmer. Dennoch sollen sie mit Wirkung für die Gesellschaft handeln können. Dritte haben zudem ein Bedürfnis nach Transparenz: Sie möchten wissen, wozu der Vertreter ermächtigt worden ist. Aus diesem Grund sind die Vertretungsbefugnis und die Vertretungsmacht im Rahmen der kaufmännischen Vertretung gesetzlich fixiert. Diese generelle und abstrakte Umschreibung erleichtert damit den Geschäftsverkehr (Verkehrssicherheit).

Die Handlungsvollmacht im weiteren Sinne lässt sich unterteilen in

1. die Prokura (Art. 458 ff. OR, siehe Kapitel 7.3) und
2. die Handlungsvollmacht im engeren Sinne (Art. 462 OR, siehe Kapitel 7.4).

Während die Prokura sehr umfassend ist, bleibt die Handlungsvollmacht im engeren Sinne auf gewisse Geschäfte beschränkt.